Full-Remote-Work in Deutschland
Wie würde sich das Arbeiten verändern, wenn jeder Beschäftigte seinen Arbeitsort frei wählen könnte? Dieses Szenario untersucht das Erprobungsfeld „Full-Remote-Work in Deutschland“. Ermittelt werden soll dabei, wie viel Freiheit möglich und sinnvoll ist und welche Hürden es für Forschungseinrichtungen bei der Umsetzung gibt.
Full-Remote-Work bietet Beschäftigten die Möglichkeit, an einem frei gewählten Arbeitsort innerhalb Deutschlands zu arbeiten und dabei die physische Anwesenheit in der Forschungseinrichtung auf ein Minimum zu reduzieren – anders als etwa bei Formen des Hybrid-Remote-Work, wo es feste Termine für die Anwesenheit im Büro gibt –, beispielsweise nur einmal monatlich oder noch seltener. So schafft das Erprobungsfeld „Full-Remote-Work in Deutschland“ Flexibilitäten, die die Attraktivität des Arbeitsgebers für manche Beschäftigte erhöhen und dazu beitragen, begehrte Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dabei geht es um Vorteile wie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dass Fahrtwege zum Arbeitsplatz entfallen und die Arbeitszeiten flexibel eingeteilt werden können. Wenn weniger Arbeitsplätze und deren Ausstattung in der Forschungseinrichtung benötigt werden, verringern sich zudem die Kosten für Raummiete und -unterhalt. Doch welche Hürden gibt es bei der Umsetzung und welche Erkenntnisse können durch Evaluierungen gewonnen werden?
Welche Grenzen sind bisher bekannt?
Arbeitsrechtliche Grenzen
Nicht bekannt. Arbeitsschutzgesetz und Arbeitszeitgesetz gelten auch bei Remote Work. Deren Einhaltung und Kontrolle ist fern des betrieblichen Arbeitsplatzes aber vermutlich schwieriger als bei den anderen Erprobungsfeldern. Der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung hat den selben Umfang wie am Arbeitsplatz in der Forschungseinrichtung (Voraussetzung: Full Remote muss vertraglich vereinbart sein).
Technische Grenzen
Full-Remote-Work setzt eine hohe Arbeitsfähigkeit und sehr geringe Störanfälligkeit voraus, da keine kurzfristige Hilfe ermöglicht werden kann, zum Beispiel durch die lokale IT-Abteilung.
Prozessuale Grenzen
Die Tätigkeit muss sich für Full-Remote-Work eignen (ggf. sind sensible Daten nur am Arbeitsplatz im Büro einsehbar, ist Arbeit im Labor oder am Großgerät erforderlich etc.)
- Arbeitsvertragliche Differenzierungen im Rahmen der organisatorischen „Zuordnung“: Welcher Arbeitsort steht beispielsweise im Arbeitsvertrag?
- Außerplanmäßige Anreise aus der Full-Remote-Arbeit zum Dienstort: Dies erfordert beispielsweise die Klärung von Regeln für Dienstreisen und den regulären Arbeitsweg.
- Ist für Personen mit Full-Remote-Stellen eine Erweiterung der Technik oder des Mobiliars notwendig?
- Wie können Arbeits- und Ruhezeiten zwecks Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben effizient kontrolliert werden?
Diese Aspekte müssten im Rahmen einer Gesamtbetriebsvereinbarung, Betriebsvereinbarung oder eines Einzelvertrags geklärt werden.
Führungs- und teambezogene Grenzen
Umgang der Führungskraft mit unterschiedlichen Präsenzen und Notwendigkeiten der kurzfristigen Verfügbarkeit vor Ort
- Die Führungskraft muss auch „digital“ führen können.
- Wahrnehmung der „Gleichbehandlung“ innerhalb der Forschungseinrichtungen oder Teams
Kulturelle Grenzen
Potenzielle Spannungen zwischen Teammitgliedern und Führungskräften aufgrund der erhöhten Anforderungen, die sich durch Full- Remote-Stellen ergeben, z. B. bei der internen Kommunikation oder kurzfristigen Verfügbarkeit vor Ort
Steuerrechtliche Grenzen
Da die ortsungebundene Arbeit hier im Inland erfolgt, keine grundsätzliche steuerliche Relevanz. Für die Absetzbarkeit von Reisen als beruflich bedingte oder privat induzierte Reisen muss jedoch definiert sein, was als Dienstreise gilt und was nicht (s. prozessuale Grenzen)
Sozialversicherungsrechtliche Grenzen
Da die ortsungebundene Arbeit hier im Inland erfolgt, keine sozialversicherungsrechtliche Relevanz
Tarifvertragliche Grenzen
Nicht bekannt
Gesundheitliche Grenzen
Nicht bekannt
Sonstige Hürden/Grenzen
Solange die Full-Remote-Stelle innerhalb Deutschlands ausgeübt wird, sind keine sonstigen Hürden/Grenzen bekannt.
Zu welchen anderen Erprobungsfeldern besteht ein enger Bezug?
Aufgrund des starken inneren Zusammenhangs spricht vieles dafür, Full-Remote-Work insbesondere zusammen mit dem Erprobungsfeld „Vertrauensarbeitszeit mit Zeiterfassung“ zu testen:
- Erprobungsfeld: Vertrauensarbeitszeit mit Zeiterfassung
Was müssen Forschungseinrichtungen noch berücksichtigen?
Full-Remote-Work ermöglicht den Beschäftigten große Freiheiten, doch muss sorgfältig abgewogen werden, wie diese Sonderregelungen in ein Gesamtgefüge integriert werden können, das auf eine höhere Anwesenheitserwartung setzt. Im Rahmen des Experimentierraums „Full-Remote-Work in Deutschland“ sollen daher offene Fragen geklärt werden: Wie lässt sich diese Sondergruppe in einer Organisation umsetzen, in der dennoch die Anwesenheit erwartet wird? Dies wirft Fragen der Gerechtigkeit und der praktischen Umsetzung auf. Beispielsweise ist zu untersuchen, wie die Zusammenarbeit im Team funktioniert, wenn einige Beschäftigte kaum vor Ort sind. Wird auf die besonderen Bedürfnisse der Full-Remote-Beschäftigten Rücksicht genommen oder müssen sie sich den etablierten Normen anpassen? Ebenso ist zu klären, wie sozial und organisatorisch verträglich eine zunehmende Segmentierung der Beschäftigtengruppen ist. Die Antworten auf diese Fragen werden entscheidend sein, um die langfristige Integration von Full-Remote-Work in Forschungseinrichtungen erfolgreich zu gestalten.
Weiterführende Informationen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter dem Thema „Arbeitsgestaltung“: www.baua.de