Mobiles Arbeiten für Grenzgänger:innen
- Illustration
Vincent Brod
Dieses Erprobungsfeld befasst sich mit der Frage, wie Grenzgänger:innen die Arbeit im Homeoffice von ihrem Wohnsitz im Ausland aus ermöglicht werden kann. Dabei stehen insbesondere steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Herausforderungen im Vordergrund, die einer Einzelfallprüfung bedürfen.
Die Flexibilisierung von Arbeitsorten spielt für Grenzgänger:innen häufig eine zentrale Rolle. Viele von ihnen würden gerne auch von ihrem Homeoffice im ausländischen Wohnsitz aus arbeiten. Für Forschungseinrichtungen, insbesondere nahe den deutschen Außengrenzen, eröffnet sich hier die Chance, ortsunabhängiges Arbeiten auch für Mitarbeitende außerhalb Deutschlands zu etablieren. Allerdings gehen damit Herausforderungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht einher. Das Risiko, unter Umständen eine Betriebsstätte im Ausland zu begründen, macht eine Einzelfallprüfung unumgänglich. In diesem Erprobungsfeld sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, Risiken zu minimieren und eventuell notwendige Ausnahmegenehmigungen einzuholen. Als New-Horizons-Projekt erfordert es Offenheit für juristische und organisatorische Lösungen.
Erkenntnisinteressen
Kann es einzelnen Instituten gelingen, die steuerlichen Risiken beherrschbar zu machen bzw. Ausnahmegenehmigungen zu erhalten?
Welche Grenzen sind bisher bekannt?
Arbeitsrechtliche Grenzen
- Nicht bekannt
Technische Grenzen
- Grundsätzlich gilt die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), dennoch gibt es in den verschiedenen Ländern Unterschiede beim Umgang mit Daten.
- Regelung von Zusatzkosten, z. B. Mobilfunkkosten im Ausland oder Kosten beim Austausch von defekten Endgeräten
Prozessuale Grenzen
- Richtlinie „Arbeiten im Ausland“ zusätzlich zur (Gesamt-)Betriebsvereinbarung mobile Arbeit oder ergänzt um Zusatzregelungen (bestehende Organisationsanwendungen, IT-Anwendungen etc.) erforderlich: Ein klarer, verbindlicher Rahmen für die Organisation ist wichtig, da das eventuelle Überschreiten rechtlicher Grenzen (Steuern, Sozialversicherung) Haftungsrisiken für Arbeitgeber birgt.
- Potenzielle Einschränkungen für bestimmte sehr verantwortungsvolle Positionen auf Managementebene
- Aufwand/Ressourcen in der HR-Abteilung der jeweiligen Forschungseinrichtung oder Zentraladministration, da Vorprüfungen erforderlich sind und administrative Pflichten erfüllt werden müssen (A1-Bescheinigung, EU-Meldepflichten)
Führungs- und teambezogene Grenzen
- Eine Abstimmung der entsprechenden räumlichen Abwesenheiten im Gesamtteam ist erforderlich, um Aufgaben vor Ort zu bewältigen.
- Umgang mit (vermeintlichen) Gerechtigkeitsproblemen
- Umgang mit möglicherweise auftretenden kunden- und partnerseitigen Irritationen
Kulturelle Grenzen
- Unverständnis, dass nach den umfassenden Freiheiten durch die Corona-Auflagen die Homeoffice-Möglichkeiten in ausländischen Wohnstaaten durch die Vorgaben des weiter geltenden deutschen Sozialversicherungsrechts wieder eingeschränkt sind
- Trotzdem ist eine geduldete Praxis festzustellen.
- Gleichberechtigungsdebatten
Steuerrechtliche Grenzen
- Lohnsteuerrecht
- Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte im Ausland. Deshalb ist immer eine Einzelfallprüfung erforderlich: Hat das Homeoffice im ausländischen Wohnstaat Auswirkungen auf den Aufwand in Personalabteilungen und auf Personen, die steuerrechtliche Belange verantworten?
Sozialversicherungsrechtliche Grenzen
- Grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit unterliegen grundsätzlich der Sozialversicherung des Mitgliedstaates der EU, in dem sich die Person und der dazugehörige PC/Laptop befinden.
- Ausnahmen bestehen für sog. Entsendungen (inkl. Workation) und die regelmäßige Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten.
- Arbeitet ein:e Grenzgänger:in regelmäßig 25 Prozent oder mehr von ihrem:seinem Wohnsitz aus (klassisches Homeoffice), unterliegt die gesamte Tätigkeit grundsätzlich der Sozialversicherung des Wohnmitgliedstaats. Bei weniger als 25 Prozent Homeoffice unterliegt die Person der Sozialversicherung des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
- Ab dem 1. Juli 2023 kann aufgrund einer Rahmenvereinbarung einiger Mitgliedstaaten der EU auf Antrag auch das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, für anwendbar erklärt werden, wenn Grenzgänger:innen bis unter 50 Prozent im Homeoffice arbeiten. Konkret bedeutet das bis 24,99 Prozent: Mitarbeitende müssen einen Antrag auf Feststellung des anzuwendenden Sozialversicherungsrechts bei der zuständigen Behörde im Wohnsitzstaat stellen. Bei einer multilateralen Rahmenvereinbarung (25 bis 49,99 Prozent) muss die Antragstellung über den Arbeitgeber erfolgen.
Tarifvertragliche Grenzen
- Nicht bekannt
Gesundheitliche Grenzen
- Nicht bekannt
Sonstige Grenzen
- Gefahr der Gründung einer ausländischen Betriebsstätte mit der Konsequenz einer potenziellen Bilanzierungspflicht
Workarounds: Wie könnten Veränderungen potenziell aussehen?
- Aufarbeitung steuerrechtlicher Risiken (Haftungsrisiken, finanzielle Risiken bei Betriebsstättengründung)
- Ausnahmegenehmigungen der ausländischen und inländischen Finanzämter
Zu welchen anderen Erprobungsfeldern besteht ein enger Bezug?
- Erprobungsfeld: Flexibilisierung Ruhepausen + Ruhezeiten
- Erprobungsfeld: Vertrauensarbeitszeit mit Zeiterfassung
New Horizons — Ortsflexible und attraktive Arbeitsmöglichkeiten (OaA)
Was müssen Forschungseinrichtungen noch berücksichtigen?
Bei der Umsetzung eines Homeoffice für Grenzgänger:innen sind rechtliche Hürden zu beachten. Besonders relevant sind die steuerlichen Risiken wie das Risiko der Betriebsstättengründung im Ausland, was finanzielle und bilanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann. Zudem müssen die Sozialversicherungsregeln je nach Anteil der Homeoffice-Tätigkeit im ausländischen Wohnstaat genau geprüft werden, da diese das Sozialversicherungssystem des Wohnlandes aktivieren können. Darüber hinaus sollten mögliche kulturelle Unterschiede und die Akzeptanz solcher Regelungen innerhalb der Teams bedacht werden, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden.
Offene Fragen:
- Was ist zu tun, um zu vermeiden, dass das Homeoffice als Betriebsstätte eingestuft wird? Gibt es Fristen oder Zeiträume zu beachten?
- Gibt es in den umliegenden Wohnstaaten berufsgenossenschaftliche Regelungen, Unterschiede, Ausschlüsse oder Restriktionen, die zu beachten sind?
- Bei Dienstreisen und deren Abrechnung stellt sich die Frage: Ab wann ist eine Reise eine Dienstreise und welche Kosten werden erstattet?
Weiterführende Informationen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter dem Thema „Arbeitsgestaltung“: www.baua.de