Workation in EU-Mitgliedsstaaten
- Illustration
Vincent Brod
Das Homeoffice ist nur der erste Schritt, Workation bietet die Möglichkeit, noch ortsflexibler zu arbeiten. Im Erprobungsfeld „Workation in EU-Mitgliedsstaaten“ geht es darum, mobiles Arbeiten und Urlaubsreisen zu verbinden.
Mobiles Arbeiten muss nicht zwangsläufig auf das heimische Büro oder das Lieblingscafé beschränkt sein. Workation erweitert die Auswahl potenzieller Arbeitsorte und ermöglicht – in unserem Fall mit einer örtlichen Beschränkung auf das EU-Ausland –, mobile Arbeit und Urlaubsreisen zu kombinieren. Das kann die Kreativität und Gesundheit fördern oder auch die Motivation weiter stärken. Zudem kann ein solches Angebot die Attraktivität eines Arbeitgebers und die Mitarbeiterbindung steigern. Allerdings gibt es auch Grenzen und Stolperfallen für Forschungseinrichtungen – zum Beispiel im Steuerrecht. Das Erprobungsfeld umfasst daher maximal 20 Tage Workation im EU-Ausland pro Kalenderjahr, die unter Abwägung der Vor- und Nachteile sowie potenzieller Hürden mit einem vertretbaren Risiko in Aussicht gestellt werden können.
Erkenntnisinteressen
Erhöhter Abstimmungsaufwand teamintern und mit der Führungskraft
Produktivitätseffekte für Akteur:innen und Projekte
Einfluss auf die Attraktivität als Arbeitgebende
Auswirkungen auf das Betriebsklima und Umgang mit „Ungerechtigkeiten“, d. h. mit der unterschiedlich kurzfristigen Verfügbarkeit für Einsätze vor Ort
Welche Grenzen sind bisher bekannt?
Arbeitsrechtliche Grenzen
- Vor Ort gilt der lokale Arbeitsschutz, zum Beispiel lokale Arbeitszeitgesetze.
- Reisekalender müssen zur Risikobegrenzung von der mobil arbeitenden Person geführt und beim Arbeitgeber eingereicht werden, um eine Überschreitung der festgelegten Tage überprüfen zu können.
- Zu klären ist, ob die Absprachen zur Arbeit im Ausland in einer schriftlichen Vereinbarung mit den Beschäftigten festgehalten werden sollten/müssten. Dazu gehören insbesondere die Übernahme von Kosten, das Recht zur Beendigung des Auslandsaufenthalts und weitere Absprachen. Andererseits könnte eine schriftliche Vereinbarung dazu führen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Telearbeitsplatz auf Arbeitsschutzsicherheit hin zu prüfen und ggf. auszustatten.
Technische Grenzen
- Grundsätzlich gilt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Trotz europäischer Regelung existiert indes ein unterschiedlicher Umgang mit Daten in den verschiedenen Ländern.
- Regelungsbedarf von Zusatzkosten, z. B. Mobilfunkkosten im Ausland oder bei Austausch von defektem Endgerät im Ausland
Prozessuale Grenzen
- Richtlinie „Arbeiten im Ausland“ zusätzlich zur (Gesamt-)Betriebsvereinbarung mobile Arbeit oder ergänzt um Zusatzregelungen (bestehende OAs, IT-Anwendungen etc.) – ein klarer, verbindlicher Rahmen für die Organisation ist wichtig, da die Überschreitung rechtlicher Grenzen (Steuer, Sozialversicherung) Haftungsrisiken für Arbeitgeber birgt.
- Potenzielle Einschränkung für bestimmte, sehr verantwortungsvolle Positionen auf Managementebene
- Aufwand/Ressourcen in der HR-Abteilung der jeweiligen Forschungseinrichtung oder Zentraladministration, da Vorprüfungen erforderlich sind und administrative Pflichten erfüllt werden müssen (A1-Bescheinigung, EU-Meldepflichten).
Führungs- und teambezogene Grenzen
- Eine Abstimmung der entsprechenden räumlichen Abwesenheiten im Gesamtteam ist erforderlich, um Aufgaben vor Ort zu bewältigen.
- Umgang mit (vermeintlichen) Gerechtigkeitsproblemen
- Potenzieller Umgang mit kunden- und partnerseitigen Irritationen
Kulturelle Grenzen
Um attraktive, faire und transparente Regelungen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern zu schaffen, ist konstruktives Vertrauen im Kontext ortsflexibler Arbeiten wichtig. Dies betrifft unter anderem:
- Abstimmungsaufwand im Team und mit Führungskräften
- Atmosphäre im Team und Umgang mit potenziellen Ungerechtigkeiten bei unterschiedlichen Anforderungen an die Personen und ihre Verantwortungsbereiche, z. B. kurzfristige Verfügbarkeit vor Ort
Steuerrechtliche Grenzen
Maximale Grenze pro Kalenderjahr: 183 Aufenthaltstage (inkl. An-/Abreise, Urlaub usw.), da sonst Lohnsteuer-Abführungspflichten im Ausland entstehen
Sozialversicherungsrechtliche Grenzen
- Die A1-Bescheinigung ist Voraussetzung für die Entsendung. Der Arbeitgeber muss die erforderliche A1-Bescheinigung beantragen, sodass der Aufwand beim Arbeitgeber liegt.
- Risiken entstehen zudem, wenn Beschäftigte ohne Bescheinigung im Ausland arbeiten, weil zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge im Ausland verlangt werden könnten.
Tarifvertragliche Grenzen
Nicht bekannt
Gesundheitliche Grenzen
Nicht bekannt. Nach bisherigem Kenntnisstand könnte sich mobiles Arbeiten im Ausland positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken.
Sonstige Hürden/Grenzen
- Sonderthemen: Gefährdungsbeurteilung, berufsgenossenschaftliche Unfallversicherung auch im Ausland
- Prüfung von EU-Meldepflichten, eventuell Meldung im ausländischen Staat; Bußgelder drohen bei etwaigen Verstößen gegen die Meldepflicht.
- Die Erweiterung um die EFTA-Staaten ist möglich, weil für diese ebenfalls die VO 883/2024 zum Sozialrecht sowie zum Beispiel die europäischen Regelungen zum Datenschutz gelten.
- Die Freizügigkeit gilt nicht für Drittstaatsangehörige. Beispiel: Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für einen indischen Mitarbeiter in Deutschland gilt nicht automatisch auch für andere Mitgliedsstaaten – möglicherweise sind zusätzliche Anträge oder ein Visum erforderlich. Im Falle einer Staatsangehörigkeit außerhalb der EU/EWR/Schweiz muss ggf. ein Aufenthaltstitel beantragt werden.
Offene Frage
Macht eine TISAX-Zertifizierung eine Anpassung von Geheimhaltungsklauseln notwendig?
Zu welchen anderen Erprobungsfeldern besteht ein enger Bezug?
Eine integrierte Erprobung mit anderen Erprobungsfeldern ist nicht zwingend notwendig.
Quick Start — Ortsflexible und attraktive Arbeitsmöglichkeiten (OaA)
Was müssen Forschungseinrichtungen noch berücksichtigen?
Neben zeitflexiblen Arbeitsstrukturen können auch ortsflexible Angebote wie Workations dazu beitragen, die Attraktivität von Forschungseinrichtungen als Arbeitgeber zu steigern, die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern und kreative Potenziale zu entfalten. Das Konzept ist räumlich auf die 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen, Liechtenstein, Schweiz und Island und zeitlich auf 20 Tage pro Kalenderjahr beschränkt, was das Risiko einer Betriebsstättengründung minimiert. Ab einer nicht unterbrochenen Aufenthaltsdauer von vier Wochen im Ausland müsste geprüft werden, ob die örtlichen Bedingungen der Beschäftigung – beispielsweise Urlaubstage, Höhe der Vergütung bei vergleichbarer Tätigkeit – eingehalten werden. Außerdem müsste eine schriftliche Vereinbarung geschlossen werden, in der diese Rahmenbedingungen niedergelegt sind. Hierdurch könnten sich hohe Kosten und ein deutlicher Mehraufwand ergeben.
Forschungseinrichtungen, die solche Workation-Möglichkeiten anbieten, sollten die positiven und negativen Effekte beobachten und evaluieren. Darunter fallen unter anderem der potenzielle Abstimmungsaufwand im Team und mit der Führungskraft, aber auch Auswirkungen auf die Produktivität der einzelnen Beschäftigten und Teams. Zudem ist von Erkenntnisinteresse, inwiefern mobiles Arbeiten im EU-Ausland die Attraktivität der Einrichtung tatsächlich steigern kann oder eher ein Gefühl der Ungerechtigkeit bei denjenigen erzeugt, die ein solches Angebot nicht oder nur sehr begrenzt nutzen können.
Das Modell der Workation bietet das Potenzial, bisherige Formen der räumlichen Flexibilität zu erweitern und zu internationalisieren. Forschungseinrichtungen kennen die Vorteile internationaler Erfahrungen und Kooperationen, mobiles Arbeiten im EU-Ausland kann diese Möglichkeiten erweitern und vertiefen.
Weiterführende Informationen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter dem Thema „Arbeitsgestaltung“: www.baua.de